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Über die Sache mit dem Kater und die Frage, warum gewollte Veränderungen eigentlich auch so schwer sind.

Wir waren in diesem Sommer in einem wunderschönen Berghotel in Tirol. Traumhaft. Allein die Tatsache, dass jemand für mich Essen kocht, den Tisch deckt und nach dem Essen alles abräumt – der Wahnsinn. Wir haben ein Eröffnungsschnäppchen beim Jochelius gemacht und können es nur wärmstens empfehlen! Vor allem auch, weil wir ein besonderes Extra vom Hotel bekommen haben – einen kleinen Kater.

Whaaaat?!?

„Was sind das für Menschen, die aus dem Urlaub Tiere mitbringen?“, habe ich mich früher gefragt. Hm, ups. Ich scheine so ein Mensch zu sein. Aber von allen Familienmitgliedern habe ich mich definitiv am meisten dagegen gesträubt (am meisten = als Einzigste. Ahem.)
„Wie wird mein Leben, mein Alltag sein mit Katze?“, habe ich mich gefragt. Ich werde ja das Futter kaufen. Ich werde bestimmt das Katzenklo sauber machen (bisher tut das aber der weltbeste Ehemann, er hat seinen Titel wirklich verdient! Oh ja.) Aber ich werde mehr Zeit mit dem Kater verbringen und mehr für ihn sorgen, als die drei anderen Familienmitglieder, die ja mit ihren eigenen Berufen beschäftigt sind (die einen mit Kind-sein, der andere mit Geld für den Katzenfutter-Kauf-verdienen.)

Als wir also im Auto saßen – drei seelige Menschen, ein seeliger Kater und ich – da machte sich in meinem Herzen ein durchaus schales Gefühl breit. Wir fuhren zurück in unsere Heimat, in unser Leben. Aber es würde anders werden. Oh nein! Dabei mag ich mein Leben!

Und dann machte es beinahe hörbar „wuuuusch“ (für drei seelige Menschen und einen seeligen Kater vielleicht nicht, aber für mich schon) und mit den Zauberkräften der emotionalen Zeitreise war ich fünf Jahre zurück katapultiert. In genau diese drei Tage im Juni 2013, die außergewöhnlich heiß waren…

Ich saß in meinem Bett und schwitzte. Die Trombosestrümpfe halfen nicht unbedingt. Sie halfen mir auch nicht dabei, mich optisch einigermaßen ansprechend zu fühlen, jetzt, wo dieser mehrere Tonnen schwere, schwangere Bauch nicht mehr kräftig spannte, sondern sich viel zu viel Haut in meiner Körpermitte tummelte. Ugh. Ich saß also da und der Milcheinschuss kam und ich schwitze noch ein bisschen mehr. Und darum weinte ich auch. Unter anderem. Ich weinte auch, weil mein Baby so schön war und so gesund. Ich weinte, weil es so brav trank und schlief. Ich hatte riesiges Glück mit genau diesem Baby, aber es traf mich mit voller Breitseite, dass sich mein Leben, mein Alltag, alles was ich bin und habe dramatischst verändern würde. Und ich nicht das Geringste dagegen tun kann. (und ja auch nicht will! Immerhin habe ich mir diese Veränderung jahrelang und genau dieses Kind monatelang gewünscht.) Und trotzdem, trotzdem ließ es meine Knie schlottern und meine Tränenkanäle weiten, dass alles anders sein wird. Und ich das Kind nicht mehr zurück geben kann und sagen „Nichts für ungut! Aber ich will mein Leben zurück, Bitte, Danke. Guten Tag.“

Ich habe noch ein wenig darüber nachgedacht – also später, als mein Gehirn nicht mehr so vernebelt war von den Stillhormonen. Es ist eine traurige Wahrheit, dass unerwartete, schlimme Veränderungen, wie Schicksalsschläge hart sind. Aber wieso dürfen denn gewollte und positive Verändungen auch schwierig sein? Wer hat das denn erlaubt? Und ich glaube, das Schwierige an Veränderungen ist, dass es meistens eine unsichere Komponente gibt, die man nicht beeinflussen kann, auf die man sich einlassen muss. Hm, einlassen. Dabei bin ich so sehr daran gewöhnt, sooo viele Optionen zu haben und sooo viel in meinem Leben gestalten zu können. Und darum stehe ich etwas baff und wie der Ochs vorm Berg vor den Tatsachen, die ich nicht gestalten kann. Die per Naturgewalt über mich kommen. (wie die Geburt und so viele Sachen, die danach kommen. Oder auch der unverhoffte Eigentum eines Katers, hehe. Und was der so unerwartetes mit sich bringt.)

Fest steht: Ich wollte die Veränderung. Dann kommt sie. Und dann denke ich: He! Ich mochte mein Leben! Es war gerade echt cool! Und jetzt ist es so.. so.. anders.

Die gute Nachricht ist: Das neue Leben mit Baby wurde auch echt sehr cool. Ooh ja. Und wie. Wir Menschen sind ja unfassbar flexibel und anpassungsfähig. Wir können uns auf zwei Tassen (!) Kaffee am Tag beschränken, wenn der Frauenarzt das vorschreibt. Wir können mit insgesamt 4 Stunden Schlaf in 30- minütigen Häppchen durch die Nacht kommen, wenn das kotzende Kleinkind das vorschreibt. Wir können uns dehnen, sehr buchstäblich und physisch, wir können uns klein machen und zurück nehmen und identitätsdefinierende Tätigkeiten in die Zeit des 45 minütigen Mittagsschlafs pressen. Wir können uns an so vieles gewöhnen – das Leben mit einem Neugeborenen oder auch das Leben mit einem Kater.

Um Himmels willen, nein, ich denke natürlich nicht, dass diese beiden Veränderungen für mich gleichwertig waren. Das blöde Vieh wird rausgeschmissen, wenn es nicht gut läuft.
(Aber den Kater behalten wir auf jeden Fall, hehe.)
(Das war ein böser Scherz, Entschuldigung, Uja-Oma!)

Jedenfalls, die Geschichte mit der Katze hat mich daran erinnert, dass die Sache mit den Veränderungen manchmal ganz schön schwer ist. Auch wenn man die Veränderung wirklich sehr wollte! Und: wie gut, dass es am Ende gut wird. (Für den Fall, dass hier jemand liest, der noch im schalen Geschmack der Veränderung steckt: es wird gut!!)

Und natürlich freue ich mich sehr berichten zu können, dass es ganz und gar herrlich ist, einen Kater zu haben. Er ist süß und lässt sich brav Kraulen (wenn er keine wichtigeren Katzen-Dinge zu tun hat, is klar). Doch, es ist wirklich schön. Auch wenn mir einige Horrorstorys erzählt wurden und ich direkt auch schon welche auf Lager habe… Unter anderem, dass die Summe, die wir wegen des ersten Katzenschnupfens beim Tierarzt gelassen haben, für ein Reihenendhaus gereicht hätte. Naja. Zum Abendessen gibt es Reis, Kinder. Ohne Soße. Zumindest für die nächsten 15-20 Jahre. So lange eben, wie wir dieses herrliche Tier haben.

Eine verkaterte Bini

 

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Von Tränen am Jogurtregal. [Und genereller Begeisterung für Hans Zimmer]

Hans Zimmer Zitat-1

Letzte Woche haben wir den Film „Score“ gesehen und ich war sehr inspiriert von dem obigen Hans Zimmer Zitat. Er beschrieb, wie seine Arbeit ihn manchmal durch quälende Phasen schickt. Und trotzdem sagt er: „I love, love, love what I do“. Wow.
Kurzerhand habe ich mich mal im Handlettering versucht – es ist nicht perfekt geworden, aber den Inhalt der Aussage habe ich währenddessen umgesetzt, hehe. Das Zitat hat mich daran erinnert, dass ich schon mal was geschrieben hatte, das mit Hans Zimmers Musik zu tun hatte. Also habe ich in meinen Entwürfen gekramt und voilá, ein Post aus Oktober 2016, der nie online ging. Da waren meine Mädchen 3 und 1 und ich am Rande meiner Kräfte. Und weil ich finde, dass man auch mal was Altes posten kann, mache ich das heute! Los geht’s:

Diese ganze unfassbare Kiste mit den Schwangerschaften und dem Kinder-kriegen-und-haben hat in mir so viel aufgewühlt und auf den Kopf gestellt. Ganz vorn dabei: Das „zu-viel-fühlen“.

Vor den Kindern war ich schon ein wenig sensibel, aber eher so, sagen wir „medium“. Ich wollte nie besondere Hege und Pflege haben, dafür war ich viel zu stolz. Statt einem zarten Pflänzchen war ich lieber eine toughe Sau und so wollte ich auch bleiben. Ich war unkompliziert, ich war selbstmotiviert, ich war vor allem unfassbar zielstrebig und ehrgeizig und staaahlhart.

Hmja. Und dann bin ich Mutter geworden. Au weia. Denn mit der Mutterschaft kamen die Tränen. Über alles. Über die Schrecklichkeit der Welt und über eine kleine Rötung am Bauchnabel des Babys. Über vollgekotze Bettwäsche und aufgrund der Sehnsucht nach erholsamem Nachtschlaf. Ich habe geweint, wenn ich daran gedacht habe, wie es Flüchtlingen in diesem Moment geht und noch mehr geweint bei der Vorstellung, dass junge Mütter wie ich unter den Flüchtlingen sind und genauso weinen wie ich, nur noch viel schlimmer. Ich habe geweint, weil ich so viel weine. Ich weine beim Gedanken daran, meine Mädchen eines Tages vielleicht im Brautkleid zum Traualtar schreiten zu sehen. Ich weine bei der Vorstellung, dass ich sterben könnte, während sie noch ganz klein sind. Ich weine, weil ich in meiner Chaos-Wohnung nicht atmen kann. Und vor dem Jogurtregal. Da stand ich gestern und habe die Tränen hochsteigen fühlen, ohne ersichtlichen Grund, einfach nur so, aus prinzipieller Erschöpfung. Dann habe ich mich zusammen gerissen, durch geatmet und weiter eingekauft. Später hab ich gemerkt – ich hab den Jogurt vergessen! Ich stand vor dem Regal und hab ihn vergessen. Eieiei. Also hab ich eine Packung Jogurt genommen und den sichersten Platz im Einkaufswagen gesucht – nicht auf den Trauben, links ist auch alles voll, am besten ich stell ihn rechts oben in die Ecke… Wo natürlich schon einer steht. Hatte ihn doch schon geholt. Dann bin ich zurück ans Jogurtregal und musste tatsächlich weinen – weil ich mir noch nicht mal für 3 Minuten merken kann, ob ich Jogurt gekauft habe oder nicht.

Aber – oh Gott sei Dank, es gibt ein „aber“! – hatte ich neulich die Erkenntnis. Wir saßen im Auto und sind durch Sonnenschein und schönste Landschaften gesaust. Irgendwas hat mich daran erinnert, dass wir in Spanien mal völlig unerwartet in ein Konzert geraten sind, in dem „The Black Pearl“ aus dem Film „Fluch der Karibik“ von einem Orchester gespielt wurde. Komponiert von Hans Zimmer*. Das hab ich schnell raus gesucht, laut gedreht und das ganze Auto hat nur so vibriert vor Herrlichkeit, Sonnenschein und dramatisch ergreifender Musik.

Da habe ich es begriffen. Das viele Fühlen ist auch ein Geschenk. Es macht mein Leben reich. Es macht mich fürchterlich empfänglich für Details, für Nuancen und für Schönheit, an der Andere vielleicht vorbei rauschen. Es macht mich fähig tief zu empfinden, stark begeistert zu sein und die Welt nicht nur in all ihrer Abscheulichkeit wahrzunehmen, sondern auch in all ihrem Glanz. [und da ist so viel Glanz, wenn man mal hinsieht!]

Seither habe ich meinen Frieden mit dem vielen Fühlen gefunden (oder bin noch dabei). Aber jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss sehr emotionale Musik hören und alle Herrlichkeit der Welt in jeder Faser meines Körpers wahrnehmen.

Eine vielfühlige Bini

Edit im Jan. 2018: Das mit dem Weinen ist gemeinsam mit der generellen Erschöpfung weniger geworden, Gott sei Dank! Aber viel-fühlen ist wohl der neue Standard bei mir… ;)
*ich korrigiere: „the black pearl“ wurde von Klaus Badelt komponiert und zusammen mit Hans Zimmer produziert. Wer’s ganz genau wissen will, kann bei wikipedia nachlesen.