schöne Haare
[das Bild ist schon älter, aber der weltbeste Mann ist heute genauso tiefenentspannt wie hier]

Seit jeher kämpfe ich mit dem – also eigentlich eher gegen das – Konzept von Zeit.

Ehrlich jetzt.

Alles, was wunderschön ist, geht viiiel zu schnell vorbei: Urlaub mit Ausblick; die Zeitspanne zwischen dem ersten und dem letzten Bissen von herrlichem Essen; die Zeit, in der die Kinder klein sind und sehr, sehr knutschbare Bäckchen haben.
Alles was elend ist, geht viiiiel zu langsam vorbei: Magen-Darm; die Zeitspanne zwischen der Feststellung der Fehllieferung eines großen Möbelstücks, das dann unaufgebaut um Flur verharren muss, bis zur Lieferung des fehlenden Seitenteils; die Zeit in der die Kinder klein sind und eine ganz erstaunliche Anzahl von halben Stunden untröstlich darüber sind, dass es heute keine Schüssel für die Apfelstückchen gibt (also schon Apfelstücke, bloß keine Schüssel). Herrje.

Das war jetzt eine wirklich lange Einleitung für ein ganz anderes Thema. Was ich eigentlich sagen will: Mit dem Konzept von Zeit habe ich so meine Probleme. Für mich geht das Meiste viel zu langsam vorbei. Seit jeher bin ich ungeduldig, mag das die Dinge ein wenig schneller voran gehen und das ich nicht so viel Warten muss, weil Warten einfach das Doofste von allem ist.
Umso mehr erstaunt es mich, wenn ich feststelle, wie unfassbar langsam ich mich bestimmten, zugegebenermaßen recht simplen Wahrheiten des Lebens nähere. Namentlich die simple Wahrheit: Ich kann meinen Mann nicht verändern. [und JETZT bin ich beim eigentlichen Thema angekommen. Tadaa!]

Die Profi-Ehepartner unter euch Lesern  werden wissend nicken: „Jaja, das kenne ich, mir ist das auch am 3. Tag nach unserer Hochzeit aufgefallen“. Hm. Ja, mir nicht. Ich hatte den Gedanken zum ersten Mal – ganz leise und eher so wie eine Vorahnung, die eigentlich gar nicht wahr sein kann – als wir genau 10 (Z E H N) Jahre verheiratet waren. Ich kann ihn nicht ändern.

Woa.

Dabei würd ich das so gern!

Ich fände es nämlich recht praktisch und auch angenehm, wenn er die Dinge (allesamt und allumfassend) so sehen würde wie ich. Das würde einiges erheblich erleichtern.

Macht er aber nicht. Stattdessen erlaubt er den Kindern (die mit den sehr, sehr knutschbaren Bäckchen), mit dem ebenfalls im Hausflur ausharrenden Schraubenzieher kleine Löcher in die Verpackung des fehlgelieferten Möbelstücks zu hacken. Richtig. Während das Möbelstück sich völlig neu und unversehrt IN der Packung befindet. Hm, ja.
Mein krisenerprobtes Hirn sieht uns in drei Jahren, direkt nach Ankunft des fehlenden Seitenteils das Möbelstück aufbauen, nach getanem Werk stolz einen Schritt zurück treten und mit ansehen müssen, wie das Ding völlig porös und vernarbt direkt vor unseren Augen zerfällt, weil es dem von Kinderhand herbeigeführten Zersetzungsprozess nicht standhalten konnte. Wir stehen in einer sich langsam senkenden Staubwolke und ich sage: „Ich hab’s gewusst“.

Leider teilt der weltbeste Mann meine apokalyptischen Visionen nicht. Er teilt ohnehin recht wenig Apokalyptisches, denn das würde sich mit seiner unerschütterlichen Sorglosigkeit beißen.

Und als ich heute nach Hause kam und im Flur an dem teil-zerfledderten Karton vorbei ging, kam der Ärger wieder in mir hoch. Mit einem kleinen Schraubenzieher in eine Kartonverpackung zu hacken bereitet den Kindern unglaublich viel Freude, das sieht man deutlich. Aber was mache ich, wenn wirklich Kratzspuren auf dem Ding bleiben? Man kann den Kindern so viel sinnvolle Anleitung geben, wie man will („Ihr Lieben, bitte nur hier rein hauen“) – es läuft auf jeden Fall aus dem Ruder. Wieso sieht er es nicht einfach wie ich – ein klares Nein von Anfang an und es ist Ruhe im Karton (no pun intended).

Und dann hatte ich sie. Die Erkenntnis, bei der ich wohl Klassenletzte bin. Ich kann ihn nicht verändern und – jetzt kommst – dann kann ich doch auch direkt und mit sofortiger Wirkung aufhören mich zu Ärgern.
Ach so! Oooh, wie viel vertane Lebenszeit, graue Haare und Frustschokoladenkonsum kann ich einsparen, wenn ich mich nicht mehr darüber ärgere, dass wir nicht überall einer Meinung sind? Ich glaube es ist viel.

Er ist so, wie er ist und ich bin so, wie ich bin.
Und eigentlich, wenn ich ehrlich bin, ist das auch sehr gut so! Wenn ich mich mal nicht ärgere, dann  finde ich seine lockere Art einfach nur supercool. Die meisten lustigen Spiele bei uns haben sich dadurch ergeben, dass unsere Kinder viel ausprobieren dürfen (eben auch in einen Karton zu hacken).

Aber auch in den Momenten, in denen ich einfach nur bescheuert finde, was er macht, denkt und entscheidet, sollte ich wirklich langsam aufhören ihn verändern zu wollen und mit meinem Aufgaben weiter machen. Ich habe nämlich noch mehr zu tun, als mich sinnlos zu ärgern. Oh ja!

Als nächstes an der Reihe: Ich werde in den Flur gehen und den Schraubenzieher selbst mal in die Hand nehmen. Vielleicht hat es ja etwas Meditatives, in einen Verpackungskarton zu hacken.
Ich bin mir ziemlich sicher.

(Muss ja keiner wissen, dass ich die einzelnen Bretter einfach vorher rausnehme und wo anders für die kommenden drei Jahre zwischenlagere, ha!)

Eine langsame erkennende Bini

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